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Martin Sauter im Interview zur Forschungslinie des LIAG

Nach seinem Amtsantritt am 6. Dezember 2022 führte Institutsleiter Prof. Dr. Martin Sauter das LIAG erstmalig gesamthaft durch das Jahr 2023. Wie hat er das Institut und dessen Strukturen erlebt, wo sieht Sauter die Potenziale in der Forschung, aber auch die Herausforderungen? Im Interview gibt er zudem einen Einblick in den neuen Forschungsschwerpunkt „Georeservoire als Energiequelle und Energiespeicher“, der dritten Säule des Forschungsstrukturkonzepts, welches am 9. November 2023 vom Kuratorium beschlossen wurde.

Im Gespräch mit dem Institutsleiter Prof. Dr. Martin Sauter

 

Herr Sauter, spontane Antwort: Wie haben Sie das erste Jahr an einem geophysikalischen Forschungsinstitut erlebt?
›› Ein Forschungsinstitut ist tatsächlich eine andere Welt als die, die ich aus der Universität oder aus dem Consulting-Bereich kenne. Innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Institution gibt es eigene formelle und rechtlich beziehungsweise gesetzlich definierte Vorgänge. Dennoch bietet gerade eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung viele Gestaltungs- und Austauschmöglichkeiten in der Wissenschaft, die aus dem langjährigen Aufbau an Know-how und aufwendiger Forschungsinfrastruktur resultieren, was in einer universitären Umgebung aus strukturellen und finanziellen Gründen so nicht möglich ist. Dies betrifft zum einen wissenschaftliches und technisches Personal, zum anderen hochwertige Geräteinfrastruktur. Am LIAG arbeiten Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachgebieten der Geowissenschaften, die sich ihr Wissen über Jahre und Jahrzehnte erarbeitet haben. Das Zusammenwirken dieser Faktoren gibt dem LIAG ein Alleinstellungsmerkmal, wie ich es national und auch international nicht kenne. Dies stimmt mich zuversichtlich für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag in die Leibniz-Gemeinschaft. ‹‹

Was hat Sie persönlich am meisten im vergangenen Jahr beeindruckt?
›› Die Professionalität, mit der die einzelnen Forschenden und das Technikpersonal die Angewandte Geophysik in unserem Haus umsetzen, ist sehr ausgeprägt. Die sorgfältige, ruhige und doch leidenschaftliche Herangehensweise in der Organisation, Durchführung und Auswertung von Feldkampagnen – unter teils schwierigen Bedingungen mit empfindlicher Geländemesstechnik – zur Beantwortung unserer Forschungsfragen ist bemerkenswert. Ich stellte fest, wie ernst mit Herausforderungen umgegangen und wie diesen kreativ mit Lösungen, die das Institut methodenübergreifend oder über Kooperationen bietet, begegnet wird. Hier heißt es nicht „einfach drauf los messen und improvisieren“. Und nicht zu vergessen: Neben dem laufenden Betrieb bauen wir eine Verwaltung unter Vollgas auf. Das erfordert auch vom Verwaltungspersonal viel Durchhaltevermögen. Es zeigte sich, dass hier viel Engagement in das Institut fließt, um unter den gegebenen Bedingungen wissenschaftsnahe Lösungen zu finden. Der Einsatz von allen Seiten beeindruckt mich. ‹‹

Wo sehen Sie in erster Linie die Chancen, aber auch die Herausforderungen für das Institut?
›› Ich sehe die Chance, dass das Institut zum Vorreiter in aktuellen gesellschaftlich relevanten Fragen innerhalb der Themen Grundwassersysteme, Geogefahren und Energieversorgung unter Einbeziehung der Georeservoire wird. Das kann das Institut mit seiner langjährigen Expertise und der methodischen und technischen Infrastruktur leisten. Die Herausforderungen sind gleichzeitig, dass die verschiedenen Fachgebiete innerhalb der Geophysik beziehungsweise der Geowissenschaften weiter zusammenwachsen. Denn darin liegt der Mehrwert: Mit allen methodisch und individuell arbeitenden Gruppen eine Synergie zu schaffen, um flexibel unsere Forschungsthemen bearbeiten und auf den Bedarf in der Gesellschaft und der Politik reagieren zu können. ‹‹


Nun sollen Georeservoire als dritte thematische Säule neben den Forschungsschwerpunkten Grundwassersysteme
und Geogefahren in den Fokus der Wissenschaft rücken. Warum?

›› Die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie hoch die Energieabhängigkeit unseres Landes ist. Mit unserem
Know-how und wissenschaftlichen Instrumentarium können wir unmittelbar zur effektiveren Nutzung der (erneuerbaren)
Energie aus dem eigenen Land beitragen und es darin unterstützen, Georeservoire als Energiespeicher verfügbar
zu machen. Dabei ist diese Säule nicht neu: Wir haben in der Vergangenheit in diesem Bereich gearbeitet, vor
allem im Zusammenhang mit den langjährigen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Geothermie. Geothermieforschung
betreiben wir am LIAG bereits seit über 70 Jahren. Wir untersuchen zudem die Nutzungspotenziale von
natürlichem Wasserstoff. ‹‹


Was beinhaltet die dritte Säule also genau?
›› Mit der Säule Georeservoire bündeln wir die gesellschaftlich relevante Forschung des LIAG zur Energieversorgung in einem eigenen Themenbereich. Dies bietet sich schon deshalb an, da die Erkundungs- und Charakterisierungsmethoden im Bereich der Georeservoire als Energiequelle und Energiespeicher mit denen der Geothermieforschung vergleichbar sind. Neben der Ermittlung der bestehenden Energiepotenziale von Geothermie und Wasserstoff streben wir eine federführende Forschung in der Ermittlung der strategischen Energiespeicherung als Gas-, Wärme- oder Wasserstoffspeicherung, möglicherweise auch CO₂-Speicherung, an. Wichtig ist es, in der Charakterisierung von Georeservoiren das Know-how weiter aufzubauen. Unsere langjährige Forschung zur Rolle von Störungszonen trägt schon dazu bei, sichere Georeservoire und damit Speicher zu erkunden. Diese Expertise ist nicht zuletzt bei der Standortsuche für Endlager zur Entsorgung radioaktiver Abfälle nützlich. ‹‹

Welche Priorität sehen Sie für das kommende Jahr?
›› Die Konsolidierung unserer neuen und abgestimmten Institutsstruktur, die Besetzung der Leitungspositionen und soweit möglich, den derzeitigen Aufbau der Administration in eine Vollverwaltung umzusetzen. Das würde uns ein Instrumentarium für die erfolgreiche und effektive Umsetzung unserer Forschungsideen geben. Zudem möchte ich die Systemmodellierung als integralen Bestandteil des Methodenspektrums etablieren und über bestehende Kontakte hinaus weitere Verbindungen zu strategischen Partnerorganisationen knüpfen. ‹‹

Was sind Ihre mittelfristigen Ziele für das LIAG?
›› Ich – beziehungsweise wir am LIAG – sind dem Land Niedersachsen und der Landesregierung dankbar für das Vertrauen in unsere Forschungsarbeit und dessen verlässliche mittelfristige Finanzierung. Daher bleibt es dauerhaft unser Ziel, dem Land wertvolle Forschungsergebnisse zu gesellschaftlich relevanten Themen zu liefern, das heißt eine quantitative Basis für die Entscheidungsfindung auf politischer Ebene. Schon aus diesem Grund muss es unser aller Ziel sein, Forschung auf hohem wissenschaftlichen Niveau zu betreiben, um so zusammen mit einer künftigen Direktorin oder einem künftigen Direktor einen Antrag auf Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft stellen zu können. ‹‹

Zuletzt: Wenn Sie einen Wunsch sofort erfüllt bekommen würden, welcher wäre das?
›› Zentral für unsere Arbeiten sind qualifizierte und motivierte Mitarbeitende. Die richtigen qualifizierten
Personen für unser Institut zu gewinnen, die fachlich und auch menschlich in das Gesamtteam LIAG passen –
das würde ich mir wünschen! ‹‹