gebo-G1

Methoden zur seismischen Erkundung von geologischen Störungszonen

Zusammenfassung:

Geologische Störungszonen werden als potenzielle geothermische Reservoire für die Wärme- und Stromerzeugung in Betracht gezogen, da hier die Permeabilität gegenüber dem umgebenden Gestein erhöht sein kann.  Störungen sind im Allgemeinen sehr komplex und heterogen aufgebaut, so dass ein hohes Risiko besteht, die permeablen Strukturen im Untergrund anzutreffen. Eine Risikoverminderung kann effektiv durch den Einsatz seismischer Verfahren erreicht werden, wie sie auch von der KW-Industrie verwendet werden. Dort ist der Einsatz moderner seismischer Verfahren, wie beispielsweise 3D-Seismik, die eine verbesserte strukturelle Abbildung des Untergrundes ermöglicht, und Analysen seismischer Attribute, die Aussagen zur Stratigraphie und Lithologie der Gesteine ermöglichen, mittlerweile zum Standard geworden.

Im Rahmen des gebo-G1 Projektes werden geologische Störungszonen anhand verfügbarer und neu zu messender seismischer P- und S-Wellen Registrierungen (1.) auf den strukturellen Aufbau, (2.) auf ihre elastischen Eigenschaften und (3.) auf mögliche Transmissivitäten untersucht. Projektziel ist die Anpassung vorhandener und die Entwicklung neuer Verfahren zur Abschätzung des geothermischen Potenzials und relevanter Parameter von Störungssystemen zur Reduzierung des Fündigkeits- und Bohrrisikos.

In der ersten Projektphase wurde am östlichen Rand des Leinetalgrabens bei Northeim (Südniedersachsen) ein geeignetes Messgebiet gefunden, in dem ein für das Norddeutsche Becken repräsentatives Störungssystem in den geologischen Einheiten der Trias (i. B. des Buntsandsteins) oberfläch aufgeschlossen ist. Die Fokussierung auf ein oberflächennahes Störungssystem erlaubt dabei eine detailliertere Charakterisierung des Störungsumfeldes und der internen Störungsstruktur als die Erkundung eines tiefliegenden Störungssystems. So kann durch die Anregung eines breitbandigen Quellsignals mit hoher Maximalfrequenz eine wesentlich höhere Auflösung erzielt werden, als es beispielsweise in der KW-Exploration üblich ist (Musmann & Buness, 2010).

Auf Grundlage der Geologie des Messgebietes wurde ein Benchmarkmodell erstellt. Schichtmächtigkeiten, strukturgeologischer Aufbau und physikalische Parameter sind aus bereits vorhandenen Daten (Geologie, Seismik und Bohrungen) übernommen und mit Angaben aus weiterführender Literatur abgeglichen. Anhand des Modells wurde die Akquisitionsgeometrie für die eigenen Messungen geplant sowie der Einfluss der Topographie und der Störungszone auf das seismische Abbild untersucht.

Im Jahr 2010 fanden eigene Messkampagnen statt, mit dem Ziel, den strukturgeologischen Aufbau der Grabenrandverwerfung im Messgebiet zu bestimmen, wurden zwei hochauflösende P-Wellenprofile von rund 2,8 km und 1,8 km Länge registriert. Letzteres wurde zu einer 1- bis 2-fach überdeckten 3D-Seismik (1,3 km *0,9 km) erweitert, um zusätzliche Informationen über die räumliche Struktur der Untergrundstrukturen zu erhalten. Als seismische Quelle kam der P-Wellen Kleinvibrator MHV 2,7 des LIAG (Buness, 2007) zum Einsatz, der einen Frequenzbereich von 25 – 180 Hz über 16 s Länge anregte. Die Registrierung erfolgte mit 5 m Geophon- und 10 m Quellpunktabstand relativ eng; der CMP-Abstand beträgt damit 2,5 m. Insgesamt standen 360 aktive Kanäle zur Verfügung.

Das Prozessing orientiert sich zunächst an einem „klassischen“ Standardprozessing für Vibro-Daten mit NMO/DMO-Korrektur, post-stack Migration und anschließender Tiefenkonversion. Besonderes Augenmerk wurde auf die Rekonstruktion des Frequenzgehaltes des Quellsignals und auf eine akkurate Bestimmung des Geschwindigkeitsmodells gerichtet. So wurde das Geschwindigkeitsfeld wurde mittels einer dichten Semblance-Analyse bestimmt und oberflächennah durch Geschwindigkeiten, die aus refraktionstomographischer Inversion gewonnen wurden, ergänzt.

In den Stapelsektionen werden die geologischen Einheiten der Trias von der Basis Keuper in ~50 m Tiefe bis hinunter in den Zechstein in ~1 km Tiefe abgebildet (Abb. 1). Ein Vergleich der seismischen Messungen mit den strukturgeologischen Modellen der Region  zeigt, dass das Störungssystem am Rand des Leinetalgrabens wesentlich komplexer aufgebaut ist als bisher angenommen. Hier zeichnet sich ein komplexes Muster von steil und z.T. flach einfallenden Störungen bereits im Vorfeld der Hauptrandverwerfung ab (Musmann et al. 2011): Das Abbild des liegendenen Blockes ist sehr stark gestört. Die Seismik weist in diesem Bereich nur eine diffuse Reflektivität auf, so dass sich hier einzelne Reflektoren nicht klar erkennen lassen, was auf einen mechanisch stark zerrütteten Bereich hindeutet. Der hangende Block wurde dagegen gut abgebildet. Die dortigen Einheiten des Muschelkalks und des Buntsandsteins weisen ebenfalls eine starke tektonische Beanspruchung auf, die sich in unterschiedlichen Reflektivitäten und Kontinuitäten der seismischen Einsätze sowie in den seismischen Geschwindigkeiten differenziert. Die Hauptrandstörung selbst zeichnet sich ebenfalls im Geschwindigkeitsfeld ab. Obwohl der Übergang über den Grabenrand im Allgemeinen mit einer Geschwindigkeitszunahme verbunden ist, zeichnet sich der Bereich der Hauptrandstörung durch eine leichte Geschwindigkeitsabnahme (2 – 7 %) ab. Dies geht sowohl aus der Semblance-Analyse als auch aus der Refraktionstomographie hervor.

Dieselben Profile (und insbesondere der Bereich der Störungszonen) sollen in der zweiten Jahreshälfte 2011 mit eigenen S-Wellenmessungen untersucht werden. Erste Testmessungen zeigten bereits die Anwendbarkeit dieser Methodik im Untersuchungsgebiet. Nach Auswertung der S-Wellenmessungen werden die Ergebnisse mit den P-Wellenmessungen in Hinblick auf das strukturelle Abbild, die Auflösung und die seismischen Geschwindigkeiten verglichen. Schlussendlich sollen die elastischen Eigenschaften aus der Kombination der beiden Messungen bestimmt und Rückschlüsse auf mögliche Transmissivitäten gezogen werden.

 

Referenzen:

Musmann, P. & Buness, H. (2010), High-resolution seismic imaging of near-surface fault structures within the Upper Rhine Graben, Germany, in Richard D. Miller; John H. Bradford & Klaus Holliger, ed., 'Advances in near-surface seismology and ground-penetrating radar', SEG Geophysical Developments Series No. 15, Tulsa, pp. 281-296.

Buness, H. (2007), 'Improving the processing of vibroseis data for very shallow high-resolution measurements', Near Surface Geophysics, 173-182.

Musmann, P.; Thomas, R. & Buness, H. (2011), Seismische Erkundung von geologischen Störungszonen am Beispiel des Leinetalgrabens: Erste Ergebnisse, in '71. Jahrestagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft', Köln, 21.-24. Februar 2011.

Projektleitung

Dr. Rüdiger Thomas
+49 511 643-3494

Dr. Hermann Buness
+49 511 643-3521