Initiale Erprobung zur Detektierung und Charakterisierung verborgener Störungen in urbanen Gebieten Neuseelands mittels Scherwellenseismik
Christchurch wurde am 22. Februar 2011 um 12:51 Uhr Ortszeit von einem Erdbeben der Stärke 6,3 MW getroffen, dessen Epizentrum nur zehn Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum entfernt und in nur fünf Kilometern Tiefe lag. Insbesondere im historischen Stadtzentrum ereigneten sich durch ungünstigen Baugrund (Bodenverflüssigung) so schwere Zerstörungen, dass große Stadtbereiche für unbewohnbar erklärt werden mussten, ca. 12000 Häuser wurden abgerissen, ca. 100.000 Häuser wurden beschädigt.
Ursache des Bebens war die Reaktivierung einer bis dahin unbekannten, im Untergrund unter der Stadt verborgenen Störung. Daraufhin begann ein Umdenken bei Behörden und in der Bevölkerung hinsichtlich des Bewusstseins, dass derartig verborgene, aber rezent aktive Störungen auch unter anderen Siedlungsgebieten in Neuseeland auftreten können und man suchte nach Möglichkeiten, derartige Störungen zu finden und zu charakterisieren. Die Earthquake Commission Neuseelands förderte daraufhin 2014 ein zweijähriges bilaterales Forschungsprojekt zwischen dem Institute for Geological and Nuclear Science (GNS Science) und LIAG mit dem Ziel, exemplarisch die Methodik der Scherwellen-Reflexionsseimik zur Erkundung derartiger Störungen in urbanen Bereichen einzusetzen.
Als Mustergebiet wurde die Küstenstadt Whakatane auf der Nordinsel ausgewählt, unter der eine Großstörung vermutet wurde. Ca. 30 km entfernt liegt die sehr gut erkundete Edgecumbe-Störung, die 1987 bei einem schweren Erdbeben reaktiviert wurde und eine gut sichtbare Spur an der Oberfläche ausprägte. Diese Störung wurde zur methodischen Kalibrierung im Rahmen eines Go/Nongo-experiments herangezogen, bevor weitere Untersuchungen im Stadtgebiet von Whakatane durchgeführt werden sollten. Das Kalibrierexperiment lieferte derart erfolgreiche Ergebnisse, das die Untersuchungen in Whakatane umgehend aufgenommen wurden. Innerhalb von 10 Messnächten wurden ca. 4.5 km Profil im Stadtgebiet akquiriert und vor Ort ausgewertet. Die abgebildeten Untergrundstrukturen zeigten unter anderem die Spur einer verborgenen Störungsbahn mit über 10 m Versatz durch die jungen Sedimente, die in einem bislang nicht vermuteten Bereich das gesamte Stadtgebiet durchzieht und auch das Zentralkrankenhaus berührt.