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Die Eiszeiten in den Alpen: Forschungsbohrung Tannwald

Wie veränderten sich die Klimaverhältnisse im Alpenraum während des Eiszeitalters? Wie steuerten sie Gletscherbewegungen und prägten Flora und Fauna im Laufe der Jahrtausende? Die Forschungsbohrungen des LIAG im alpinen übertieften Becken „Tannwald" bei Winterstettenstadt in der Gemeinde Ingoldingen sollen Aufschluss über die Klimageschichte der vergangenen rund 450 000 Jahren in der Region geben. Dies ist Teil des ICDP-Projektes „DOVE – Drilling Overdeepened Alpine Valleys“.

Forschungsbohrungen geben Aufschluss über die Klima- und Landschaftsentwicklung

Die Alpenregion ist im Hinblick auf Umwelt- und Klimaveränderungen, hydrogeologische Verhältnisse und tektonische Prozesse extrem sensitiv. Vor dem Hintergrund anstehender gesellschaftlicher Herausforderungen für dieses Gebiet bedarf es daher intensiver Forschung zu verschiedenen geowissenschaftlichen Aspekten. Dabei kommt den übertieften Tälern und Becken eine besondere Bedeutung zu, da diese speziell im inneralpinen Bereich den eigentlichen Lebensraum des Menschen definieren und häufig entsprechend dicht besiedelt sind. Die Ergebnisse werden Auskunft über die Klima- und Umweltentwicklung der jüngeren Vergangenheit des Gebiets geben.

Exemplarisch für viele übertiefte Täler und Becken in den Alpen wird das sogenannte Tannwaldbecken (Winterstettenstadt) in Baden-Württemberg durch drei Forschungsbohrungen (zwei Spülbohrungen und eine Kernbohrung) untersucht. Ziel ist zu erfahren, wie sich das Klima entwickelte, auf den Rheingletscher ausgewirkte und wie dieser die Landschaft formte. Dabei soll vor allem die petrophysikalische Charakterisierung der quartären Sedimente verbessert werden. Die komplexe Struktur der Becken sowie die geringen petrophysikalischen Kontraste erfordern zudem methodische Weiterentwicklungen in der geophysikalischen Exploration.

Auftakt für internationales Großprojekt

Die Forschungsbohrungen finden innerhalb des Projekts „DOVE – Drilling Overdeepened Alpine VallEys" des International Continental Scientific Drilling Programs (ICDP) statt und leiten die erste Phase ein. Ziel des Projekts ist es, die räumliche und zeitliche Klimaentwicklung während der Eiszeiten in den vergangenen 2,6 Millionen Jahren in und um die Alpen zu rekonstruieren. Dies beinhaltet eine methodenübergreifende, geologisch ausgerichtete Bearbeitung von bis zu 16 Kernbohrungen rund um den europäischen Alpenraum. Über 20 nationale und internationale Partnerorganisationen mit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beteiligen sich an dem Großprojekt.

 

Start der Forschungsbohrungen ab April

Ab April 2021 werden bei Winterstettenstadt zwei Spülbohrungen und eine Kernbohrung mit je rund 160 Meter Tiefe – angeordnet als Dreieck im Abstand von 28 Metern – innerhalb einer Fläche von 1500 Quadratmetern abgeteuft. Das Projekt startet mit den Spülbohrungen, die voraussichtlich rund 10 Arbeitstage dauern werden. Der Aufbau der Bohranlage erfolgt ab dem 6. April.

Beim Bohren wird eine PVC-Verrohrung in die Bohrlöcher eingeführt, so dass die Forschenden über verschiedene Sonden geophysikalische Messungen zu der Beschaffenheit der Sedimentschichten im Untergrund durchführen können. Die gewonnenen Proben werden von den internationalen Projektpartnern unter anderem auf ihr Alter, ihren Pollengehalt oder auch auf das Vorhandensein von Kleinstlebewesen hin untersucht. Bis Ende Juli sollten alle Bohrungen abgeschlossen sein. Nach rund drei Jahren werden die Bohrlöcher wieder verfüllt und zurückgebaut.

Seismische Vor- und Nacherkundungen

Für ein detailliertes Bild des Untergrundes werden erneute seismische Messungen zwischen den Bohrungen durchgeführt. Hiermit sollen die Bedingungen für die Sedimentablagerung auch abseits der Bohrungen im Detail erfasst und geophysikalische Messtechnik weiterentwickelt werden.

Seismische Vorerkundungen ermöglichten sichere Standortwahl
Bereits ab dem Jahr 2017 führte das LIAG seismische Vorerkundungen durch. Das am Institut entwickelte Messgerät sendete dazu künstliche seismische Wellen in den Erdboden. Die einzelnen Sedimentschichten reflektierten die Strahlen, die von Geophonen aufgenommen wurden. Dadurch konnte die Lage der verschiedenen Seismisches Messgerät Sedimentschichten bestimmt werden. Zusätzlich wurden Daten von Bohrungen aus den 1990er Jahren herangezogen, um die 2-D- sowie 3-D-Modelle vom Untergrund zu erstellen. Anhand dieser Informationen konnten die bestmöglichen
Standorte für die Bohrungen ausgewählt werden. Durch die umfangreichen Voruntersuchungen des LIAG und des LGRB, ist der geologische Untergrund sehr gut erfasst. Die Arbeiten werden von sehr erfahrenen Geologinnen und Geologen in enger Zusammenarbeit mit den Auftraggebern und der Bohrfirma betreut.

Informationsgelegenheiten vor Ort

Bei spezifischen Fragen und Exkursionswünschen schreiben Sie bitte eine E-Mail an presse@leibniz-liag.de.

Informationen zu den täglichen Bohrungsfortschritten im Tannwaldbecken, aber auch zu den weiteren Bohrungen im gesamten Projekt (wie beispielsweise in Basadingen, Schweiz) erhalten Sie auf der ICDP-Projektseite DOVE (Englisch).