Home / Forschung / Themen / Neotektonik 

Neotektonik

Bewegungen innerhalb der Erdkruste, die in der jüngeren Vergangenheit stattgefunden haben oder rezent stattfinden, werden als neotektonische Prozesse beschrieben.

Die Suche nach den jüngsten tektonischen Aktivitäten

Im Fokus geowissenschaftlicher Untersuchungen am LIAG stehen insbesondere Störungen. An ihnen werden geologische Einheiten lateral und horizontal versetzt. Sie liefern daher Informationen über die erdgeschichtliche Entwicklung, definieren aber auch Flächen, an denen rezent Bewegungen auftreten können. Postglaziale Landhebung und Salzaufstieg In ehemals vergletscherten Regionen, wie auch Norddeutschland, spielen zudem zeitlich verzögerte vertikale Ausgleichsbewegungen infolge des Abschmelzens der Eisschilde eine Rolle, der Glacial Isostatic Adjustment (GIA). Treffen GIA und Störungen aufeinander, können Bewegungen an Störungen und damit Erdbeben induziert werden – mit diesem Zusammenspiel befasst sich das LIAG beispielsweise auch in Niedersachsen.

Postglaziale Landhebung und Salzaufstieg

Ein weiterer Auslöser für Änderungen im Spannungsfeld, speziell in Norddeutschland, kann Salzaufstieg sein. Neotektonische Prozesse und damit verbundene Gefahren zu verstehen ist herausfordernd. Häufig sind Störungen durch Sedimente überlagert, sodass die Aufschlusssituation schlecht ist. Dann bedarf es geophysikalischer Verfahren, um die Störungen im Raum abzubilden und indirekte Informationen über die Zeitlichkeit von Störungsaktivitäten zu erhalten. Im LIAG wird diesen Herausforderungen unter anderem mit der Reflexionsseismik, sowie mit Datierungen und Modellierungen begegnet. Geophysikalische Untersuchungen liefern immer mehr Daten, welche bislang unbekannte tektonische Bewegungen in früher Vergangenheit belegen.

Lokalisierung von Störungen

Hochauflösende reflexionsseismische Messungen mit der am LIAG entwickelten Messtechnik liefern ein genaues Abbild der Störungsgeometrie, aber auch der Struktur von Schichten, die durch die Störungen versetzt werden. Die Nutzung von Scherwellen ermöglicht zudem die Ableitung elastischer Module, speziell des Schermoduls. Diese Größe beschreibt das elastische Verformungsverhalten des Untergrundes und ist für dessen Charakterisierung von großer Bedeutung. Das Institut leitet Untersuchungen und beteiligt sich weltweit an Projekten zur Untersuchung überdeckter, oberflächennaher Störungen. 

Paläoerdbeben-Altersbestimmung

Seismische Bilder zeigen den heutigen Zustand von Störungen. Wichtige Informationen über das zeitliche Auftreten vergangener Erdbeben, die Bewegungen an Störungen hervorgerufen haben, liefern Altersbestimmungen. Am LIAG werden Datierungsmethoden der Lumineszenz und ESR entwickelt, die es seit kurzem ermöglichen, Erdbebenalter direkt aus Störungsletten für die vergangenen 2,6 Millionen Jahre zu bestimmen. Dies sind wichtige Informationen, die das Verständnis der geologischen Entwicklung fördern und qualitative Hinweise auf zukünftige Bewegungen geben. Lumineszenzdatierungen hat das LIAG beispielsweise für die Harznordrandstörung in Niedersachsen durchgeführt. In Japan konnte an der Atotsugawa-Störung gezeigt werden, dass die Methoden nützlich sind, um die relative Intensität von Störungsaktivitäten zu vergleichen. Auch in Pakistan, Österreich und Slowenien datieren derzeit Forschende vom LIAG verschiedenste Verwerfungen. Ebenfalls im Fokus stehen die Europäischen Alpen im DFG-Schwerpunktprogramm „Gebirgsbildungsprozesse in vier Dimensionen (4D-MB)“ zur Datierung der Hauptverwerfungen.

Ansprechpartner