Das Chinesische Löss-Plateau ist eines der bedeutendsten terrestrischen Klimaarchive. Am nördlichen Rand des Plateaus nahe Jingbian führte ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik, Hannover (LIAG) die weltweit bisher umfangreichsten und genauesten Lumineszenz-Datierungen durch. Diese helfen, die Prozesse zu verstehen, die den Ostasiatischen Monsun beeinflussen. Die Analysen zeigen, dass bisher verwendete Methoden zur Altersbestimmung sehr ungenau sind. Somit muss das derzeit gültige Modell für den jüngsten Zeitabschnitt der Erdgeschichte korrigiert werden. Die Forschungsergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
Eine genaue Kenntnis der Erdgeschichte ist nicht nur essentiell, um Klimaänderungen der Vergangenheit besser zu verstehen, sie ist gleichzeitig die Basis für aussagekräftige Modelle über die künftige Entwicklung des Klimas. Vor diesem Hintergrund datierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Schweden, Dänemark, Deutschland, Ungarn und China insgesamt 220 Bodenproben aus der näheren Umgebung von Jingbian. Der Ort liegt südlich der Mu-Us-Wüste und am nördlichen Rand des Chinesischen Löss-Plateaus. Das Plateau dort ist geprägt von metertiefen, feinen Sandablagerungen, die der Wind über tausende Jahre hinweg aus der Wüste herangetragen hat. In diesen Lössablagerungen lesen Forscherinnen und Forscher wie in einem Buch. Sie erfahren darin Details über die Geschichte der klimatischen Entwicklungen des jüngsten Erdzeitalters, des Quartärs. Ihr Blick reicht in Jingbian bis zu 250.000 Jahre zurück.
Sehr genau erkennen sie in diesem Zeitfenster die Staubdynamiken, welche durch den Ostasiatischen Monsun bestimmt werden. In Kaltzeiten mit hohem Eisvolumen ist das Sibirische Hoch besonders ausgeprägt und damit der Ostasiatische Wintermonsun, so dass sich mächtige Lössablagerungen ansammeln. Sinkt das Eisvolumen, so sind der Wintermonsun und damit die Ablagerungsrate nur sehr gering. Mit steigenden Temperaturen und abnehmendem Eisvolumen verstärkt sich dagegen der Ostasiatische Sommermonsun. Starker Regen trägt die Lösse ab, und in den Zeitreihen entstehen Lücken von bis zu 60.000 Jahren, welche herkömmliche Datierungsmethoden bisher nicht abbilden konnten. Weiter wurde deutlich, dass das System Erde in diesem Prozess träge reagiert. Nachdem sich das Eisvolumen verändert hat, vergehen etwa 5.000 Jahre bis sich die Dynamik des Sommermonsuns umstellt.
„Die Erkenntnisse sind nicht nur für das Klima in Asien wichtig. Im System Erde wirken solche regionalen Änderungen meist auf globaler Ebene weiter. Frühere Studien in China haben uns zum Beispiel verdeutlicht, dass das Ostasiatische Klimasystem mit dem Nordatlantischen Klimasystem gekoppelt ist, welches wiederum die klimatischen Bedingungen in unseren Breiten bestimmt.“ so Dr. Christine Thiel vom LIAG (Hannover).
Jingbian ist derzeit ein definierter Referenzpunkt für das Quartär in der international verbindlichen, geologischen Zeitskala der International Commission on Stratigraphy. Aufgrund der Randlage Jingbians zwischen Wüste und Löss-Plateau sind die beschriebenen Klimaphänomene besonders komplex. Grundlegende Hypothesen geraten ins Wanken und müssen neu überdacht werden. So wird der Ostasiatische Sommermonsun in Jingbian nicht – wie bisher angenommen – allein von der Rotationsachse der Erde und damit von der Intensität der Sonneneinstrahlung angetrieben. Neben der Sonneneinstrahlung wirken das Eisvolumen und der CO2-Gehalt der Atmosphäre entscheidend auf die Stärke und Dauer des Sommermonsuns. Aus diesem Grund ist der Standort weniger gut als Referenzpunkt für ein Altersmodell geeignet als ein weiter im Zentrum des Plateaus gelegener Ort.
Die Sedimentproben wurden mittels hochauflösender optisch stimulierter Lumineszenz-Verfahren analysiert. Dabei werden sowohl der Quarz als auch der Feldspat der Proben im Labor mit Licht einer geeigneten Wellenlänge bestrahlt. Dadurch gelangen die Elektronen in den Gesteinspartikeln in einen höheren Energiezustand. Fallen die Elektronen wieder in einen geringeren Energiezustand zurück, so emittieren sie Licht. Das emittierte Licht dient der Altersbestimmung der Bodenprobe.
Institut:
Das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik mit Sitz in Hannover ist ein eigenständiges Forschungsinstitut und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Institut betreibt und koordiniert zukunftsgerichtete Forschung auf dem Gebiet der physikalischen Geowissenschaften. Als Einrichtung von überregionaler Bedeutung wird es von Bund und Ländern gemeinsam finanziert. Das Institut blickt auf über 50 Jahre Erfahrung in der Geophysik-Forschung zurück. In den Laboren der Sektion 3 „Geochronologie“ wird das Alter von Sedimentabfolgen mit geochronologischen Methoden wie Lumineszenz und Elektronenspinresonanz (ESR) bestimmt.
Veröffentlichung:
Stevens T., Buylaert, J.-P., Thiel, C., Újvári, G., Yi, S., Murray, A.S., Frechen, M., Lu, H. (2018): Ice-volume-forced erosion of the Chinese Loess Plateau global Quaternary stratotype site. Nature Communications. doi:10.1038/s41467-018-03329-2.
Kontakt:
Dr. rer. nat. Christine Thiel – LIAG, Hannover
E-Mail: christine.thiel@leibniz-liag.de
Tel.-Nr.: 0511/643-2808