2013 begannen die Untersuchungen des internationalen Forschungsteams mit Beteiligung des LIAG auf dem Ohridsee zwischen Nordmazedonien und Albanien. 584 Meter tief in die Sedimentschichten unterhalb des maximal 293 Meter tiefen Sees bohrten die Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen europäischen Ländern im Rahmen des national und international geförderten Projektes. Fünf weitere Jahre und verschiedenste geologische, chemische und physikalische Analysen brauchte es, um den Ablagerungen am Grund des Ohridsees seine Geheimnisse zu entlocken. Nun konnte das Forschungsteam seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift nature veröffentlichen.
Der Ohridsee ist 1,36 Millionen Jahre alt und hat mehrere Warm- und Eiszeiten erlebt. Geochemische Daten und Pollenfunde zeigen, dass es im nördlichen Mittelmeerraum während der verschiedenen Warmzeiten im Winterhalbjahr stark regnete. Die intensiven Regenfälle traten vor allem im Herbst auf. Durch die warme Meeresoberfläche und den Zustrom feuchter Atlantikluftmassen entstanden ausgeprägte Tiefdruckgebiete im nördlichen Mittelmeerraum. Diese Phänomene könnten sich in der Region angesichts des menschengemachten Klimawandels wiederholen. Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) fasst in seinen Berichten regelmäßig nicht nur den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Thema Klimawandel zusammen, sondern prognostiziert die Folgen der globalen Erwärmung für einzelne Regionen. Die Vorhersagen des IPCC für den Mittelmeerraum zeigen bisher kein eindeutiges Bild. Mit den Erkenntnissen der Bohrungen im Ohridsee können nun verlässlichere Szenarien für das Gebiet berechnet werden.
„Das Besondere am Ohridsee ist, dass er in den letzten knapp 1,4 Millionen Jahren kaum durch äußere Einflüsse gestört wurde“, sagt Dr. Thomas Wonik, Sektionsleiter am LIAG und Teil des internationalen Forschungsteams. Denn weder ist der See jemals vollständig ausgetrocknet noch haben katastrophale Ereignisse das geologische Bild verfälscht. Deshalb können die Forschenden die lokale Klimageschichte sehr genau rekonstruieren. Ein Ansatz dafür ist ein Vergleich zwischen der natürlichen Radioaktivität der Sedimente mit globalen Klima-referenzkurven. Diese Kurven zeigen die zyklisch ablaufende Klimageschichte der letzten fünf Millionen Jahre. Die Sedimente aus dem Ohridsee korrelieren sehr gut mit den Ergebnissen der globalen Klimareferenzkurve und zeigen die gleichen Schwankungen zwischen Eiszeiten und zwischeneiszeitlichen Warmzeiten. „Selten können wir in der Geophysik so präzise die Dynamik von Warm- und Kaltzeiten aus physikalischen Bohrlochmessungen ablesen wie im Falle des Ohridsees“, so Wonik.