„Superposition" heißt, dass er mehrere Warm- und Kaltzeiten im selben Profil übereinander enthält. Dadurch kann das vergangene Klima optimal erforscht werden. Erste Untersuchungsergebnisse liefern detaillierte Einblicke. Die gesamte Analyse der Sedimente soll mehr Verständnis über die Klimaentwicklung der vergangenen 300.000 Jahre geben und wird bis 2023 abgeschlossen sein.
Nach einer Ausbruchsphase vor über 300 000 Jahren hatte der Vulkan einen Krater hinterlassen, den die Wissenschaftler*innen als „Staubfalle“ bezeichnet haben. Der Krater wirkte wie eine Falle, in der sich seit dem Ausbruch atmosphärischer Staub, aber auch See-Sedimente, Hangabtrag und vulkanische Aschen aus der nahen Eifel ansammelten. Die 72 m mächtigen Sedimente der Kraterfüllung wurden im Winter 2011 / 2012 im Rahmen einer Forschungsbohrung in Form von Bohrkernen bereitgestellt. Lückenlos wurden diese inzwischen Schicht für Schicht und Millimeter genau geowissenschaftlich untersucht. Ein(e) solche(s) „Ge-Schicht-(e)“ bildet ein außergewöhnliches natürliches Archiv.
Das Klima-Archiv Rodderberg wurde geöffnet
Ein gewaltiger Pool an Daten, Analysen und geowissenschaftlichen Beobachtungen bietet nun Informationen darüber, was sich in Sachen Klima und Umwelt an diesem für das Rheinland so einzigartigen Ort in den vergangenen Jahrtausenden abspielte. Um der Öffentlichkeit Einblicke in diesen hochwertigen Datenpool zu gewähren und um die Forschungsarbeiten zu verdeutlichen, werden einige Aspekte, Grafiken und Fotos bereitgestellt, die einen Eindruck von den Forschungsarbeiten geben. Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden und werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt und die detaillierten Ergebnisse sind zur Veröffentlichung in Fachzeitschriften vorgesehen.
Vom magnetischen Gedächtnis bis zu pflanzlichen und tierischen Überresten
Die jeweils 3 m langen und 10 cm dicken Bohrkerne waren quasi fertig verpackt im Plastikrohr aus dem Bohrloch herausgezogen worden. Zuerst wurden zerstörungsfreie Messungen an den unversehrten Bohrkernen durchgeführt. Zum Beispiel maßen die Forschenden zentimeterweise die magnetische Suszeptibilität. Dieses sperrige Wort steht für das „magnetische Gedächtnis“, ein Maß für die Magnetisierbarkeit der vielen winzigen Mineralkörner im Sediment. Die so entstandene Messkurve allein sagt nur wenig aus, erst zusammen mit vielfältigen anderen Mess- und Analysewerten und mit Beobachtungen an den anschließend der Länge nach halbierten Bohrkernen wird das Puzzle Stück für Stück zusammengesetzt. Fotos von geöffneten Bohrkernen zeigen, wie viele Schichten in nur 10 cm Sediment enthalten sein können. Sensoren tasten den offenen Bohrkern millimeterweise ab und liefern Tausende von Daten. Mit Massenspektrometern geht die Geochemie noch einen Schritt weiter und untersucht die Verhältnisse der Sauerstoff-Isotope im Sediment.
Auch pflanzliches und tierisches Leben hat seine Überbleibsel in den Schichten hinterlassen. Eine Lupe reicht schon, um die Vielfalt zu erahnen. Ganze Welten werden aber sichtbar, wenn stark vergrößernde Mikroskope oder das Elektronenmikroskop eingesetzt werden. Denn in Warmzeiten wurden Jahr für Jahr Baum- und Gräserpollen in den Kratersee eingeweht und sanken auf dessen Boden. Sie wurden dann in das „Ge-Schicht-ete“ eingebettet und archiviert. Sind es Pflanzen, die warmes Klima mögen oder Pflanzen, die sich gegen arktische Kälte behaupten müssen? Schaut man sich die Proben Schicht für Schicht an und erfasst welche Pollenarten häufig, selten oder gar nicht vorhanden sind, so ist deutlich zu sehen, wie die Übergänge von Warmzeiten zu Kaltzeiten ablaufen.
Aber auch Reste von Algen, insbesondere Kieselalgen, sind in den Sedimenten massenhaft erhalten. Kieselalgen, auch Diatomeen genannt, sind einzellige Algen mit einer reich-skulpturierten Außenschale aus Kieselsäure. Anhand der unterschiedlichen Schalenmuster lassen sich die vielen verschiedenen Arten auch im fossilen Zustand noch unterscheiden und bestimmen. Kieselalgen sind aufgrund der unterschiedlichen ökologischen Ansprüche der einzelnen Arten gut geeignet, um die sich verändernden Bedingungen im Kratersee, wie z. B. die Wasserqualität, zu rekonstruieren.
In Kaltzeiten, als südlich der großen Gletscher in Norddeutschland weite Landstriche ohne Bewuchs oder nur spärlich mit Pflanzen einer Tundra-Vegetation bedeckt waren, haben arktische Winde feinste Sandkörner und Staub aus diesen Landschaften ausgeblasen. Damals sammelte der Rodderberg-Krater meterdicke Schichten mit diesen kalkhaltigen Stäuben - Löss genannt - an. Und dennoch, auch in garstig kaltem Klima gibt es Spezialisten, z. B. winzige Löss-Schnecken, die dort überleben konnten.
Auszählreim …. sag mir jetzt, wie alt bist du!
Das absolute Alter der verschiedenen Schichten wird mit dem Lumineszenzverfahren bestimmt. Dieses sehr aufwändige Messverfahren an speziell ausgewählten Sandkörnern gibt Hinweise, wieviel Zeit verstrichen ist, seit das Sonnenlicht die untersuchten Sandkörner zuletzt bestrahlt hat, bevor sie mit Sediment bedeckt wurden. Die Messungen dazu dauern noch an und sind ein entscheidendes Puzzleteil im Gesamtbild.
Ein langjähriges Forschungsprojekt
Nach umfangreichen geophysikalischen und geologischen Voruntersuchungen war vor über 10 Jahren der Bohrplatz im Kraterzentrum für eine Forschungsbohrung ausgewählt worden. Aus technischen Gründen entstanden drei parallele Bohrlöcher. Sie sind jeweils nur wenige Meter voneinander entfernt. Das erste und tiefste Bohrloch endete 164 m unter der Geländeoberfläche im harten Basalt des Rodderberg-Vulkans. Schon während der Bohrzeit waren in den Bohrlöchern vom LIAG umfangreiche geophysikalische Messungen durchgeführt worden. Auch war es möglich, mit einer Bohrlochkamera die Gesteine der Bohrlochwand bis in 160 m Tiefe zu filmen, denn das Bohrloch war mit klarem Grundwasser gefüllt. Es schlossen sich in den folgenden Jahren weitere Messungen sowohl in den Bohrlöchern als auch in der Umgebung der Bohrungen an. Bachelor- und Masterarbeiten beleuchteten viele Teilaspekte. Der Rodderberg-Vulkan wird seit mindestens 230 Jahren von Geowissenschaftlern beachtet und ist inzwischen ein geschätztes geowissenschaftliches Forschungs- wie auch ein Studien- und Ausbildungsobjekt im Rheinland geworden. Direkt gegenüber dem Siebengebirge und am Rhein gelegen, dient dieses landschaftlich sehr reizvolle Schokoladenstück nicht nur der Erholung der Bonner Bevölkerung, sondern wird auch von Geowissenschaftler*innen immer wieder gern besucht.
In den vergangenen 10 Jahren haben etliche Institute und Universitäten, aber auch staatliche Fachbehörden wissenschaftliche Beiträge zum Rodderberg-Projekt erbracht: Das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Hannover, das Institut für Geographie der Universität Bremen, der Geologische Dienst NRW, Krefeld, das Steinmann Institut der Universität Bonn, weiterhin Wissenschaftler*innen des Forschungszentrums Jülich, des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung, der Universitäten Bayreuth, Bern, Braunschweig, Erlangen-Nürnberg und Köln.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Franz Binot (LIAG)
0177 644 43 49
F.Binot(at)kabelmail.de
Manfred Frechen (LIAG)
0511 643 2537
Manfred.Frechen(at)leibniz-liag.de
Bernd Zolischka (Universität Bremen)
0421 218 67150
zoli(at)uni-bremen.de
Nutzung der Fotos und Grafiken:
Sämtliche Fotos und Grafiken dürfen nur im Zusammenhang mit Berichten über das Forschungsprojekt Rodderberg genutzt werden, es sei denn, die jeweilige Autorin, bzw. Autor stimmt einer Veröffentlichung auch in anderem Zusammenhang ausdrücklich und schriftlich zu. Die Autorenschaft ist bei jedem Foto bzw. jeder Grafik kenntlich zu machen.